So eine Atlantiküberquerung ist ein gewaltiges Abendteuer und wir hatten eine gehörige Portion Angst davor!
Verschiedene Ängste haben uns heimgesucht, die gesamte Palette der Befürchtungen haben wir durchgespielt.
Da sind einerseits die diffusen Ängste vor den schlimmsten Ereignissen, die einem einfallen: dem Leck, welches das Boot absaufen lässt oder dem Umfall bzw. der Krankheit, welche nicht behandelt werden kann. Das ist zwar schlimm, ist aber doch eher unwahrscheinlich. Auch ganz oben auf der Horrorliste ist, dass einer ins Wasser fällt, während der andere schläft.
Andererseits sind es konkrete Befürchtungen vor Dingen, welche nicht lebensbedrohlich sind, aber doch zu einer sehr unkomfortablen Situation führen kann. Wir haben von Anfang an befürchtet, dass der Autopilot nicht durchhält. Entweder weil er kaputt geht oder weil wir zu wenig Strom haben, um ihn zu betreiben.
Nun hat ja das Gefühl der Angst eine positive Funktion und es geht keineswegs darum, die Angst zu bekämpfen. Angst macht dich vorsichtig, Angst lässt dich sorgfältig in der Vorbereitung werden und Angst gibt dir eine kritische Sichtweise auf dein Unterfangen.
Andererseits kann dich die Angst auch blockieren und dich zum risikoscheuen Stubenhocker machen.
Solange du dir bewusst bist, dass du Angst hast, ist noch alles in Ordnung. Es ist nicht das Ziel, keine Angst mehr zu haben, sondern es ist das Ziel, mit der Angst umzugehen und damit zu leben.
Eine der wichtigsten Erfahrungen dieser Reise, welche in einer Atlantiküberquerung ihren Höhepunkt gefunden hat, war die schrittweise, natürliche Erweiterung unserer Komfortzone. Das macht Spass und ist unglaublich gut für’s Selbstvertrauen.
Am Anfang hatten wir noch die Hosen voll, wenn wir nur schon abgelegt haben und eine Meile rausgefahren sind. Bald ist das normal geworden, aber wir sind fast gestorben vor Schiss, als wir unsere erste Nachtfahrt nach Brindisi gemacht haben. Später hatten wir Angst vor der Strasse von Gibraltar, und vor jeder weiteren Etappe. Wir hatten Angst vor Sturm und Gewitter.
Aber mit jeder Erfahrung ist auch die Erkenntnis gekommen, dass wir auch ziemlich haarsträubende Situationen handhaben können. Wenn man erst mal mitten im Ereignis ist, gibt es keine Angst, sondern nur eine Aufgabe. Das war so bei dem Motoraussetzer in Vis, das war so beim Sturm in Spanien und beim Autopiloten auf dem Atlantik. Jede Erfahrung hat unsere Komfortzone erweitert und unsere Lust auf mehr geweckt, uns die Möglichkeit gegeben, einen weiteren Schritt zu gehen. Immer einen weiteren Schritt über die neu verhandelten Grenzen der Angst.
Natürlich haben wir jeden Schritt über diese Grenzen jeweils sorgfältig vorbereitet, uns den Schritt über die Grenzen sozusagen mit dicken Kissen ausgepolstert. Desswegen haben wir ein Satellitentelefon, desswegen haben wir neue Wanten, neue Saildrivemanschetten, Motorservice, ein neues Segel, einen neuen Autopiloten. Alles Massnahmen, um unseren Befürchtungen gerecht zu werden, um in der persönlichen Risikoanalyse ein wenig mehr auf der Sonnenseite zu sein.
Trotzdem, die Angst fährt mit. Wenn man mit ihr lebt, kann man erstaunliche Erfahrungen machen.