So, wir haben unsere bisher längste Segelstrecke hinter uns. Vier Tage und vier Nächte auf See. 96h eingesperrt auf schwankenden 10.5m. Wahrscheinlich kannst du dir gar nicht vorstellen, wie das so abläuft, lieber Zweihundertquadratmetereinfamilienhausbesitzer.
Tagsüber ist das Leben abhängig vom Seegang recht normal. Wenn es ruhig ist (was es in unserer Beispielüberfahrt 81 von 96h war), kochen wir uns eine warme Mahlzeit am Tag, wir lesen und diskutieren ein bisschen, machen Tee und Snacks. Auffällig ist höchstens, dass sich häufig einer ein Mittagsschläfchen gönnt. Die Yacht braucht in diesem Fall nicht viel Aufmerksamkeit, denn unser James Autohelm macht die Arbeit ganz gut.
Natürlich muss immer ein wachhabender Skipper aufpassen, dass man nirgends dagegen fährt. Matrose James fährt nämlich stur geradeaus, aber es könnte ja ein Tänkerchen oder ein Fischerböötchen aufkreuzen, was Wegrecht hat. Also ist Ms Saint und Mr Monday immer abwechselnd am aufpassen.
Auch nachts! Wir halten nicht an, sondern wir halten Nachtwache in 3h-Schichten (1). Um 18 Uhr geht z.B. Ms Saint ins Bett, damit sie von 21 Uhr bis 0 Uhr fit ist, während Mr Monday schläft. Dieser muss dann von 0 bis 3 aufpassen und darf von 3 bis 6 nochmals liegen, und so weiter. Erstaunlicherweise ist dieser Schlafrhytmus, zusammen mit den ausgedehnten Mittagsschläfchen genügend erholsam, dass man beliebig lange fit bleibt.
Es ist ja nicht so, dass man 3h in die Finsternis starren müsste. Saint Monday ist langsam. Wenn man am Horizont nichts sieht, kann man durchaus kurz aufs Klo / einen Tee aufgiessen / einen Logbucheintrag schreiben. Aber spätestens nach 10min muss man wieder kucken, ob man am Horizont etwas sieht.
Während der Fahrt schlafen wir nicht in unserer gemütlichen Vorschiffskabine, sondern im Salon, wo wir die Sofas in schaukelarme Seekojen (2) mit Leesegel (3) verwandeln.
Die Leesegel sind eigentlich nur von eminenter Bedeutung, wenn die Bedingungen etwas rauer sind. Wir hatten auf unserer Beispielüberfahrt während 15h von 96h Gegenwind (ihr kennt unsere Einstellung dazu…). Zum Glück recht moderat, aber es hat unsere Lebensqualität schon etwas reduziert. Man muss sich überall festhalten, kochen muss verschoben werden (4) und der Gang aufs Klo wird zu einem akrobatischen Kunststück, für das man im Zirkus gutes Geld verdienen könnte.
Auf unserer Beispielsüberfahrt hatten wir noch eine Wetterpremiere: Nebel (ca. 6 von 96h). Wir haben ununterbrochen gekuckt, nichts gesehen und gehofft, dass man uns auf dem Radar sieht (5).
Ah, ja, für jene, die an Geographie interessiert sind: Unsere Beispielsüberfahrt führte von Rabat, Marokko nach Arrecife, Lanzarote.
(1) Ach, habe ich’s gehasst, damals beim Militär, dieses Wache schieben, verbunden mit mangelnder Körperpflegemöglichkeit. Jetzt wo ich es freiwillig mache ist das eine ganz andere Sache
(2) Der Salon liegt nahe am Schwerpunkt des Schiffs, desswegen schaukelt es hier nicht so weit.
(3) Wenn das Schiff rollt (hin und herschaukelt), könnte man aus dem Bett rauspurtzeln. Um das zu verhindern haben wir diese sonnengelben Stoffplanen installiert, welche der Seemann „Leesegel“ nennt.
(4) Seit dem Cabo de Palos, wo wir überraschenderweise stundenlange bei 7bft aufkreuzen mussten, haben wir immer das eine oder andere Verlegenheitssandwich in der Hinterhand.
(5) Danke, Arend, für deine „zuversichtliche“ Story in diesem Zusammenhang.