Schön sind die Teppiche/Stickereien/Möbel/sonstiges Kunsthandwerk, welche auf den Souks von Marokko angeboten werden. Ms Saint und ich könnten uns durchaus vorstellen, einige dekorative Stücke in die Einrichtung unserer Wohnung zu integrieren, wenn unsere Transportkapazität nicht etwas eingeschränkt wäre. Wobei sich so ein kleiner Teppich ganz klein zusammenfalten liesse, wie uns der Verkäufer versichert UND demonstriert hat.
Sowieso sind die Verkäufer hier in Marokko sehr geschickt, da muss man anerkennend nicken. Intuitiv beherrschen sie die verschiedenen Stadien eines guten Verkaufsgesprächs, welche man den Callcentermitarbeitern bei uns zuhause in teuren Schulungen beibringen muss.
Aber wie schafft es nun der durchreisende Tourist, ohne Übergepäck wieder abzureisen? Wie haben es Mr Monday und Ms Saint geschafft, nicht den gesamten Freibord in geschnitzte Beistelltischchen zu investieren? In der heutigen Ratgeberecke wollen wir Ihnen, lieber zukünftiger Orientreisender, praktische Tips zur Vorbereitung vorschlagen.
Nun, wir empfehlen ein intensives Training zuhause mit eben diesen teuer ausgebildeten Callcentermitarbeitern. Bitte nicht einfach aufhängen, wenn Sie das nächste Mal einer Pasta direkt von der italienischen Nonna oder ein Telefonabo andrehen will. Plaudern Sie ein bisschen, so 20 bis 25 Minütchen, dann hängt der Anrufer von sich aus auf (1) und ruft nie mehr an.
Aber immer recht freundlich und fair sein und folgende Regel am Anfang des Gesprächs vereinbaren. Drücken Sie gleich am Anfang des Gesprächs aus, wie über den netten Anruf bzw. Einladung ins Teppichgeschäft freuen und gerne auch ein wenig plaudern möchten, dass sie aber keinerlei Kaufabsicht hegen.
Der Verkäufer wird relativ zügig versuchen, ihnen Informationen zu entlocken (Bei welcher Telefongesellschaft sein würden, ob sie Pasta mögen täten, ob sie schon vom Stamme der Tuareg gehört hätten) und auch danach trachten, ihnen auch rasch eine zustimmende Äusserung zu entlocken (Dies sei doch ein schöner Teppich, nicht wahr?). Sie können auf diese Fragen ganz ehrlich und offen antworten. Natürlich würden wir uns freuen und schön ist es sowieso. Das ist höflich und freut unser Gegenüber.
Als nächstes wird ihnen die Exklusivität des Produkts aufgezeigt (Nur weil sie es sind und nur für ganz kurze Zeit sind die ersten 3 Monate gratis! Diese Silberschmiedearbeit wird weltexklusiv nur in dieser Stadt hergestellt!). Darauf müssen sie gar nicht aktiv reagieren. Sie können an dieser Stelle ihre Emails checken oder überlegen, welche Sehenswürdigkeit sie nachher besuchen wollen. Meist erhalten sie am Ende dieser Phase auch eine erste Preisinformation, es ist aber egal wenn sie diese verpassen. Gerade auf dem Souk ist die erste Preisinformation eher als Floskel zu verstehen und nicht ernst gemeint.
Aufgepasst, jetzt wird von Ihnen eine Stellungnahme erwartet. Ob dieses Angebot so annehmbar wäre und / oder ob Sie darauf einzugehen gedenken? Ihre Antwort lautet selbstverständlich NEIN, was sie umgehend mit der verblüfften Gegenfrage „warum nicht?“ konfrontieren wird. Geben Sie darauf keine Antwort, machen sie nur „ach“, bleiben sie wage. Das Angebot wird ruck zuck zu Ihren Gunsten angepasst, worauf sie es wieder ablehnen. Sie können diesen Vorgang beliebig oft wiederholen.
Fortgeschrittene können auch mal Scheinbegründungen wie „kein Platz im Koffer“, „passt nicht zur Einrichtung“, etc. vorbringen, nur um die Nonchalance zu bewundern, mit welcher diese durch den geschickten Verkäufer entkräftet (pulverisiert!) wird.
Wichtig ist es, dass Sie nie im Leben von sich aus einen Betrag nennen (2), wenn sie nicht beabsichtigen, etwas zu kaufen. Sie könnten es für diesen Preis kriegen! Auch nicht auf die scheinbar unverfängliche Frage wie hoch sie den Preis einschätzen würden. Gestehen sie bei allen Fragen in diese Richtung, keine Ahnung von solchen Sachen zu haben (3).
Zwischendurch kann es auch vorkommen, dass das Gespräch persönlicher wird:
-Ob man die Integrität des Verkäufers anzweifle? Ob sie ihn verarschen wollen? (Sagen sie nein, ausser es will Ihnen irgendjemand ein Finanzprodukt andrehen, dann sagen sie klar und laut JA.)
-Ob sie nicht vielleicht aus Mitleid zustimmen könnten, um das Geschäft vor dem Untergang zu retten / dem Verkäufer gegenüber dem fiesen Chef zu helfen / saisonale Flauten überbrücken könnten / Die Familie vor dem Hungertod retten würden? (Sagen sie nein.)
-Ob sie wirklich so dumm seien, auf das Jahrhundertangebot zu verzichten? (Sagen sie ja, sie hätten eine leichte Tendenz zum Idiotismus)
Nun möchten wir langsam zum Ende kommen, z.B. weil Sie pinkel gehen müssen oder weil es Sie mittlerweile ein wenig langweilt. Glücklicherweise haben Sie am Anfang des Gesprächs die Regeln einseitig kommuniziert. Bei der nächsten Gelegenheit (Warum wollen sie den nicht diese einmalige Gelegenheit wahrnehmen?) erinnern Sie den Verkäufer daran, dass sie sich schon am Anfang des Gesprächs gemeinsam darauf geeinigt haben, dass Sie nichts kaufen werden!
Danken Sie für das nette und ausgesprochen interessante Gespräch und verabschieden Sie sich. Gratuliere, dass Sie ihren Spass hatten und trotzdem keinen Teppich/Telefonabo.
(1) Ich hab’s ausprobiert. Nur einer hat mehr als 20min ausgehalten…
(2) Daran muss man sich halten, egal was während dem Gespräch kommt.
(3) Sie sollten sowieso nicht zu viel sagen, vor allem nicht zum Thema. Der Verkäufer soll sprechen, bis ihm die Argumente ausgehen. Lenken Sie zur Auflockerung ungeniert so häufig wie möglich vom Thema ab (Wetter, Kunst im Allgemeinen,…). Begründen Sie Ihre Ablehnung zum Kauf und Ihre Zustimmung zu unverfänglichen Fragen nicht.